Mit dem Standortförderungsgesetz hat der Deutsche Bundestag einen umfassenden Reformschritt zur Stärkung des Finanzstandorts Deutschland beschlossen. Neben zahlreichen Änderungen im Kapitalmarkt- und Aufsichtsrecht enthält das Gesetz eine für Genossenschaften besonders relevante Neuerung: Genossenschaftsanteile können künftig im Rahmen des regulierten Crowdinvesting-Regimes angeboten werden.

Damit wird erstmals ein klarer rechtlicher Rahmen für die digitale Finanzierung von Genossenschaften über Crowdfunding-Plattformen geschaffen.
Genossenschaftsanteile im Vermögensanlagengesetz
Zentral für diese Neuerung ist die Änderung des Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG). Dieses Gesetz regelt öffentliche Angebote von Vermögensanlagen und enthält seit mehreren Jahren spezielle Ausnahmen für Schwarmfinanzierungen.
Auch im reformierten Gesetz gilt weiterhin, dass Genossenschaftsanteile grundsätzlich als Vermögensanlagen gelten können, wenn sie öffentlich angeboten werden. In § 1 VermAnlG heißt es dazu:
Vermögensanlagen sind […] Anteile an einer Genossenschaft im Sinne des § 1 des Genossenschaftsgesetzes, wenn für den Vertrieb der Anteile keine erfolgsabhängige Vergütung gezahlt wird.“
(§ 1 Abs. 2 VermAnlG)
Damit ist die rechtliche Grundlage geschaffen, Genossenschaftsanteile in das bestehende Crowdinvesting-Regime einzubeziehen.
Schwarmfinanzierung ohne Verkaufsprospekt – aber mit VIB
Der eigentliche Durchbruch liegt in der Ausweitung der Schwarmfinanzierungs-Ausnahme nach § 2a VermAnlG, die durch das Standortförderungsgesetz ausdrücklich auch auf Genossenschaftsanteile anwendbar wird.
Der Gesetzestext sieht vor:
Die Vorschriften über die Prospektpflicht sind nicht anzuwenden auf Vermögensanlagen, wenn der Verkaufspreis sämtlicher in einem Zeitraum von zwölf Monaten angebotener Vermögensanlagen desselben Emittenten 6 Millionen Euro nicht übersteigt.“
(§ 2a VermAnlG, reformierte Fassung)
Was bedeutet das konkret?
✅ Kein Verkaufsprospekt erforderlich, solange die Gesamtfinanzierungssumme von 6 Mio. € innerhalb von zwölf Monaten nicht überschritten wird.
❗ Ein Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) ist weiterhin verpflichtend
Das VIB ist ein standardisiertes Informationsdokument, das u. a. Angaben enthält zu:
- dem genossenschaftlichen Projekt,
- den wirtschaftlichen Risiken,
- den Rechten der Mitglieder und
- der Kapitalverwendung.
Es muss den Anlegerinnen und Anlegern vor Zeichnung zur Verfügung gestellt werden.
👉 Wichtig: Die Reform bedeutet keinen Abbau von Transparenz, sondern einen verhältnismäßigen Ersatz des umfangreichen Verkaufsprospekts durch ein kompakteres, verständlicheres Informationsinstrument.
Anlegerschutz: Anlagegrenzen für Verbraucher/innen
Ein zentrales Element des Crowdinvesting-Regimes ist der Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern durch individuelle Anlagegrenzen. Diese gelten auch für Genossenschaftsanteile, wenn sie im Rahmen der Schwarmfinanzierung angeboten werden.
Nach dem Vermögensanlagengesetz gelten in der Regel folgende Höchstbeträge pro Person und Emittent:
- bis zu 1.000 Euro ohne weitere Voraussetzungen,
- bis zu 10.000 Euro, wenn Anleger/innen gegenüber der Plattform erklären, dass sie über ein ausreichendes Einkommen oder Vermögen verfügen und dass der Anlagebetrag einen bestimmten Anteil ihres frei verfügbaren Vermögens nicht übersteigt.
Diese Regelungen stellen sicher, dass Crowdinvestments für Privatpersonen überschaubar bleiben, auch wenn sie digital und niedrigschwellig angeboten werden.
Einordnung aus Sicht des ZdK
Der Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften (ZdK) begrüßt diese Reform ausdrücklich – bei realistischer Einordnung ihrer Reichweite:
Nicht jede Genossenschaft wird dieses Instrument benötigen. Regional tätige Genossenschaften, die ihre Mitglieder vor Ort gewinnen und finanzieren, haben oft bewährte Strukturen. Für überregional aktive oder digital ausgerichtete Initiativen jedoch kann die neue Möglichkeit ein entscheidender Entwicklungsschritt sein:
- Genossenschaftsanteile können bundesweit digital angeboten werden
- neue Zielgruppen und Mitgliederkreise werden erreichbar
- die Erfolgsaussichten innovativer Projekte steigen durch größere Reichweite
Gleichzeitig ist aus Sicht des ZdK entscheidend, dass:
- klare Obergrenzen gelten,
- das Angebot über regulierte Plattformen erfolgt und
- mit dem VIB sowie Anlagegrenzen ein angemessener Schutz der zukünftigen Mitglieder gewährleistet bleibt.
Stimmen aus der Branche
Auch der Bundesverband Crowdfunding bewertet die Reform positiv. Digital Invest Germany (Bundesverband Crowdfunding) erklärt:
In den letzten Jahren hat die Bundesregierung die Digitalisierung der Genossenschaften vorangebracht – eine wichtige Forderung der Genossenschaften. Die Aufnahme der Genossenschaftsanteile in das Crowdfunding-Regime ist ein wichtiger Bestandteil. Jetzt ist es möglich, Genossenschaften digital zu gründen, digital zu finanzieren und digital zu verwalten.“
Die Initiative #GenoDigital hatte sich bereits im Gesetzgebungsverfahren klar positioniert und begrüßt insbesondere die Ermöglichung digitaler Schwarmfinanzierungen für Genossenschaften als wichtigen Schritt zur Zukunftsfähigkeit der Rechtsform.
Fazit
Mit dem Standortförderungsgesetz wird die Genossenschaft als moderne, digitale Unternehmensform gestärkt. Die Möglichkeit, Genossenschaftsanteile im Rahmen des Crowdinvesting-Regimes anzubieten,
- eröffnet neue Wege der Mitglieder- und Kapitalgewinnung,
- wahrt gleichzeitig Transparenz und Anlegerschutz,
- und schafft einen zeitgemäßen rechtlichen Rahmen für digitale Genossenschaften.
