Die Bundesregierung hat am 13.9.2023 das erste Mal eine Nationale Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen verabschiedet. Damit werden in elf Handlungsfeldern knapp 80 einzelne Maßnahmen beschrieben, die die Rahmenbedingungen für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen verbessern sollen.
Nachfolgend möchten wir uns der Frage widmen, inwieweit Genossenschaften auch „Gemeinwohlorientierte Unternehmen“ sind oder sein können, da die Genossenschaften nach dem Genossenschaftsgesetz den (alleinigen) Zweck der Mitgliederförderung haben.
Was sind Gemeinwohlorientierte Unternehmen im Sinne der Strategie der Bundesregierung?
Ausgangspunkt dieser Strategie ist eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag. Dort wurde vereinbart:
Wir verbessern die rechtlichen Rahmenbedingungen für gemeinwohlorientiertes Wirtschaften, wie zum Beispiel für Genossenschaften, Sozialunternehmen, Integrationsunternehmen.
Koalitionsvertrag, S. 30 zu „Start-up-, Gründungs- und Innovationsförderung“
Damit wurde der Kreis der Gemeinwohlorientierten Unternehmen von Anfang an auf Genossenschaften erweitert. In der Strategie wird dies wie folgt erläutert:
Deutschland blickt auf eine lange Tradition von Innovation und Unternehmergeist. Schon seit dem 19. Jahrhundert ist Deutschland ein Zentrum auch von Sozialen Innovationen und Gemeinwohlorientierten Unternehmen, in dem z. B. unsere heutige Krankenversicherung entstand, sich die Freie Wohlfahrtspflege etablierte und die Genossenschaften ihren Ursprung haben. Diese aus der Gesellschaft entstandenen Bewegungen legten das Fundament für unsere heutige Soziale Marktwirtschaft, die das Gemeinwohl, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und dabei den freien Wettbewerb als eine treibende Kraft erfolgreichen Wirtschaftens im Blick hat.
Nationale Strategie, S. 2 in „Präambel“
Damit wird auf die wirtschaftlichen, aber auch sozialen Probleme Bezug genommen, die herrschten, als die (deutschen) Genossenschaftspioniere die moderne Genossenschaftsbewegung entwickelten. Die Lebenssituation der Handwerker (Schulze-Delitzsch), der Bevölkerung im ländlichen Raum (Raiffeisen) und der Arbeiter (Pfeiffer) sollte verbessert werden, auch unter dem Gesichtspunkt der sozialen Situation.
Die nationale Strategie führt keine eigene Definition ein, sondern greift auf die Definition der Europäischen Union zurück. Diese orientiert sich nicht an Rechtsformen, sondern setzt inhaltliche Rahmenbedingungen für diejenigen, die sich als Teil der „Gemeinwohlorientierten Unternehmen“ verstehen.
Gemeinwohlorientierte Unternehmen im Sinne der nationalen Strategie und im Einklang mit der Definition der Europäischen Kommission sind solche Unternehmen,
- für die das soziale oder ökologische, gemeinwohlorientierte Ziel Sinn und Zweck ihrer Geschäftstätigkeit darstellt, was sich oft in einem hohen Maße an Sozialer Innovation äußert,
- deren Gewinne größtenteils wieder investiert werden, um dieses Ziel zu erreichen und
- deren Organisationsstruktur oder Eigentumsverhältnisse dieses Ziel widerspiegeln, da sie auf Prinzipien der Mitbestimmung oder Mitarbeiterbeteiligung basieren oder auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet sind.
Nationale Strategie, S. 4 Definitionen: Gemeinwohlorientierte Unternehmen/Sozialunternehmen
Die sozialen, ökologischen und gemeinwohlorientierten Ziele werden nicht weiter benannt, es wird jedoch in den Leitlinien der Strategie auf das Ziel der Nachhaltigkeit hingewiesen:
Die Bundesregierung leistet mit der Förderung von Gemeinwohlorientierten Unternehmen und Sozialen Innovationen einen wichtigen Beitrag, um die globalen Nachhaltigkeitsziele sowie gleichwertige Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet zu erreichen.
Nationale Strategie, S. 8, Leitlinien: „Nachhaltig wirken“
Damit nimmt die nationale Strategie einen ausdrücklichen Bezug auf die 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung, die im Jahr 2015 von den Vereinten Nationen mit der „Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung“ verabschiedet wurde (Sustainable Development Goals, SDGs).
Hervorzuheben sind dabei aus unserer Sicht noch zwei Punkte:
Gemeinwohlorientierung bedeutet nicht Gemeinnützigkeit
Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit setzt die Erfüllung der in der Abgabenordnung vorgesehenen Voraussetzungen voraus. Ein Gemeinwohlorientiertes Unternehmen kann, wenn es die weiteren Voraussetzungen erfüllt, als gemeinnützig von den Finanzbehörden anerkannt werden, es gibt aber insofern keinen Automatismus.
Gemeinwohlorientierung bedeutet nicht bloße Umsetzung von gesetzlichen Nachhaltigkeitsregeln
Die Gesellschaft muss sich mehr in eine nachhaltige Gesellschaft transformieren, um den Herausforderungen für die Zukunft gerecht zu werden. Dazu setzt der Gesetzgeber vermehrt Rahmenbedingungen, die von allen umgesetzt werden müssen (Maßnahmen zur Energieeinsparung / Vermeidung von Plastik / Verantwortung für die Lieferketten etc.). Diese zum Teil sehr kontrovers diskutierten Maßnahmen betreffen alle und sind daher nicht geeignet, um – für sich betrachtet – die Definition eines „Gemeinwohlorientierten Unternehmen“ zu erfüllen.
Insofern geht es aus unserer Sicht darum, dass ein „Gemeinwohlorientiertes Unternehmen“ (neben den Fragen der Gewinnverwendung und der Partizipation) eines oder mehrere dieser Ziele als Ziel seiner Tätigkeit definiert.
Passen Genossenschaft und Gemeinwohlorientierung zusammen?
Die Definitionen der EU und der Bundesregierung sind rechtsformneutral gehalten, gleichwohl stellt sich die Frage, ob Genossenschaften auch „Gemeinwohlorientierte Unternehmen“ sein können – und das liegt an der besonderen Ausgestaltung der Rechtsform eingetragene Genossenschaft, an dem Fokus auf die Mitgliederförderung.
Die Mitgliederförderung ist der Kern einer jeden Genossenschaft, ohne eine Mitgliederförderung gibt es keine Genossenschaft. Das Gesetz regelt dies in der Definition in § 1 Abs. 1 Genossenschaftsgesetz:
Gesellschaften (…) deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern (Genossenschaften).
Kurz gesagt geht es darum, dass die Genossenschaft ein Unternehmen betreibt, das von den Mitgliedern regelmäßig genutzt wird. Die Nutzung des Unternehmens ist das Mitgliedergeschäft, das, je nachdem wer die Mitglieder sind (Verbraucher, Unternehmer, Arbeitnehmer…), sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Darauf haben wir in unserem Beitrag zur Mitgliederförderung ausführlich hingewiesen.
Neben den Geschäften mit den Mitgliedern gibt es in aller Regel auch Geschäfte mit Dritten. Das sind insbesondere solche Geschäfte, die den Geschäftsbetrieb ermöglichen (Hilfsgeschäfte, zum Beispiel die Anschaffung der Geschäftsausstattung), oder die laufenden Geschäfte, die das Mitgliedergeschäft ermöglichen. Dabei unterscheiden sich diese Zweckgeschäfte je nachdem, wie die Mitgliedergeschäfte ausgerichtet sind. Besteht das Mitgliedergeschäft in dem Kauf von Waren, dann ist das Zweckgeschäft die Beschaffung (Einkauf). Besteht der Zweck der Genossenschaft darin, dass Waren der Mitglieder verkauft werden sollen, dann ist das Zweckgeschäft eben dieser Verkauf an Dritte.
Bei all den Geschäftsbeziehungen kann die Genossenschaft weitere (gemeinwohlorientierte) Ziele verfolgen. Es gibt (mindestens) vier Bereiche, in denen solche gemeinwohlorientierten Ziele in Übereinstimmung mit der Mitgliederförderung mitverwirklicht werden können:
Zusammensetzung der Mitglieder
Die Gemeinwohlorientierung kann sich bereits dadurch ausdrücken, dass die Mitglieder zu einem Personenkreis gehören, dessen Verbesserung der Lebensbedingungen sich in den 17 Zielen der Nachhaltigkeit widerspiegelt.
Ein Beispiel dafür sind Menschen mit Behinderung und deren Inklusion. Wir haben eine Reihe von Genossenschaften, die von Menschen mit Behinderung gegründet worden sind mit dem Zweck die Menschen mit Behinderung in ihrem Lebens- und Arbeitsalltag zu unterstützen. Die Mitgliederförderung ist in diesem Fall identisch mit dem Ziel 10 (Weniger Ungleichheiten).
Assistenzgenossenschaft Bremen eG
Hamburger Assistenzgenossenschaft eG
Genossenschaft für assistierte Selbstbestimmung und Teilhabe eG
Auch die neuere Bewegung der SuperCoops kann hier als Beispiel genannt werden. Bei diesen Genossenschaften geht es darum, dass Mitglieder in dem reinen Mitgliederladen jeden Monat eine gewisse Anzahl von Tagen mitarbeiten müssen. Durch diese Mitarbeit können die regelmäßigen Kosten der Genossenschaft so gesenkt werden, dass die Mitglieder einen preisgünstigen Zugang zu Waren des täglichen Bedarfs bekommen. Je nach besonderer Ausgestaltung der Genossenschaft wird damit ein Beitrag für die Erreichung von Ziel 1 (Keine Armut) geleistet.
SuperCoop Berlin eG
FoodHub München Market eG
SuperCoop Friedenau eG
Art und Weise des Geschäftsbetriebes
Auch über die Ausgestaltung des Geschäftsbetriebes können die Genossenschaften einen Beitrag leisten zur Förderung des Gemeinwohls. Dabei kann die Satzung den Vorstand verpflichten bei der Geschäftstätigkeit bestimmte Standards oder Grundsätze einzuhalten. Dann werden wiederum beide Ziele erfüllt – die Förderung der Mitglieder und die Förderung des Gemeinwohls.
Als Beispiel können hier die Genossenschaften der Solidarischen Landwirtschaft angeführt werden. Dort geht es darum, dass der landwirtschaftliche Betrieb als ein ökologischer Betrieb geführt wird, der nicht nur die Mitglieder mit ökologisch produzierten Lebensmitteln versorgen möchte, sondern durch die Art und Weise der Produktion auch weitere Ziele erreichen möchte:
- Naturschutz, zum Beispiel durch Art und Weise der Düngung und der Bodenbearbeitung (Ziel 15 – Leben an Land)
- die solidarische Ausgestaltung der Genossenschaften soll darüber hinaus auch für gute Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden sorgen (Ziel 8 – Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum)
KoLa Leipzig eG
Katringer Grünzeug eG
WirGarten Lüneburg eG
Ein weiteres Beispiel sind die Energiegenossenschaften, besonders diejenigen, die Energie aus nachhaltiger Erzeugung an die Mitglieder vertreiben. Auch hier ist die Überschneidung offensichtlich, durch die ausschließliche Fokussierung auf die Nutzung und den Ausbau von erneuerbaren Energien werden auch verschiedene gemeinwohlorientierte Ziele verfolgt:
- Ziel 7 (Bezahlbare und saubere Energie) und
- Ziel 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz).
Green Planet Energy eG
Bremer Energiehaus-Genossenschaft eG
BürgerEnergie Stuttgart eG
Auch die vielen Genossenschaften, die einen Dorfladen im ländlichen Raum betreiben, leisten einen Beitrag für gemeinwohlorientierte Ziele. Die Dorfläden verstehen sich als mehr als nur Einkaufsstätten. Es geht um einen Treffpunkt, einen Ort an dem sich die Menschen austauschen können. Auch werden neben den Waren des täglichen Bedarfs häufig andere Leistungen angeboten (Zugang zu Bargeld, Paketdienstleistungen etc.), die den Menschen vor Ort wichtig sind. Dadurch wird ein Beitrag zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse im ländlichen Raum geleistet – ein Teil von Ziel 11 (Nachhaltige Städte und Gemeinden).
Dorfladen Durlangen eG
s’Lädle Michelbach a.W. eG
Unser Dorf Schlichten eG
Faire Arbeitsbedingungen
Auch die Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden können so gestaltet werden, dass diese besonders (gut) sind. Gute Arbeitsbedingungen sind eine grundsätzliche Aufgabe für alle Unternehmen. Dennoch gibt es Genossenschaften, die in besonderer Art und Weise die Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden (und Mitglieder) im Fokus haben.
Das betrifft insbesondere die Produktivgenossenschaften, also die Genossenschaften, bei denen die Mitgliederförderung in der Arbeitsbeziehung mit der Genossenschaft besteht. Hier geht es häufig um ein Arbeiten im Kollektiv, also mit flachen (oder ohne) Hierarchien. Damit wird ein Beitrag zu Ziel 8 (Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum) geleistet.
akomo eG
die holzverbindung eG
Zimmerei Grünspecht eG
Faire Geschäftsbeziehungen
Auch die Zusammenarbeit mit anderen Partnern kann ein besonderer Fokus sein. Genossenschaften, die Lieferbeziehungen mit dem „globalen Süden“ haben, können diese so gestalten, dass die Produzenten für ihre Waren „faire“ Vergütungen bekommen.
Das betrifft zum Beispiel die Einkaufgenossenschaften für Weltläden oder Genossenschaften, die Kaffee oder Olivenöl verkaufen. Mit diesem fairen Umgang sollen die Menschen im globalen Süden unterstützt werden, das dient (je nach Ausgestaltung der Geschäftsbeziehung) verschiedenen Zielen:
- Ziel 1 (Keine Armut)
- Ziel 2 (Kein Hunger)
- Ziel 8 (Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum)
WeltPartner eG
Kaffeekollektiv Aroma Zapatista eG
arteFakt Handelsagentur für Erzeuger-Verbraucher-Ideen eG
Für den fairen Umgang mit den Produzent/innen müssen wir nicht nur in den „globalen Süden“ schauen, dies geht auch in Deutschland bei dem Einkauf von ökologisch produzierten regionalen Waren. Die Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften haben es sich zum Ziel gemacht einerseits die Verbraucher/innen mit guten Waren zu versorgen, aber auf der anderen Seite auch den Produzent/innen dafür faire Preise zu zahlen. Damit wird (neben den ökologischen Aspekten) ein Beitrag geleistet zur Erreichung des Ziels 8 (Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum).
Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft Landwege eG
Bremer Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft eG
VG Verbrauchergemeinschaft für umweltgerecht erzeugte Produkte eG
Freiwillige Ergänzung der Mitgliederförderung um ideelle Ziele
Diese Beispiele zeigen, dass Mitgliederförderung und Gemeinwohlorientierung sich nicht widersprechen müssen. Genossenschaften können die Geschäftsbeziehung in einer besonderen Art und Weise ausgestalten und dies als zusätzliches Ziel (neben der verpflichtenden Mitgliederförderung) in der Satzung verankern.
Dieses „Mehr“ hat allerdings häufig einen „höheren“ Preis. Es ist aber eine bewusste und freiwillige Entscheidung der Mitglieder oder Kund/innen eben diese Leistung in Anspruch nehmen zu wollen. Wichtig ist, dass das freiwillig geschieht und keine Genossenschaft gezwungen wird, sich als ein Gemeinwohlorientiertes Unternehmen auszurichten. Eine Verpflichtung, dass sich Unternehmen (insbesondere Genossenschaften) über die gesetzlichen Vorschriften hinaus, gemeinwohlorientiert betätigen müssen, ist nicht möglich, weil dies in die unternehmerische Freiheit eingreifen würde.
Erfolgreiches Unternehmen
Selbstverständlich wird weiterhin ein Unternehmen betrieben. Und dieses Unternehmen muss auch erfolgreich sein, insbesondere ökonomisch. Bei gemeinwohlorientierten Genossenschaften ist der ökonomische Erfolg jedoch nur ein Aspekt unter verschiedenen. Es gibt mindestens drei Aspekte, die einen Erfolg ausmachen:
- wirtschaftlicher Erfolg
- Mitgliedernutzen und
- Gemeinwohlziele.
Diese Aspekte stehen miteinander in Beziehung:
Wirtschaftlicher Erfolg
Bei Gemeinwohlorientierten Unternehmen geht es nicht darum, den Profit zu maximieren. Das bedeutet allerdings nicht, dass diese Unternehmen nicht profitabel sein müssen. Sie müssen mindestens eine schwarze Null erwirtschaften (verkürzt gesagt mindestens so viel Geld einnehmen, wie ausgegeben wird). Auch sind Überschüsse und Rücklagen für wirtschaftlich schlechtere Zeiten, Reinvestitionen oder Investitionen für die Zukunft vorteilhaft. Ohne einen wirtschaftlichen Erfolg kann das Unternehmen auf Dauer nicht existieren.
Nur wenn das Unternehmen wirtschaftlich in der Lage ist, ein gutes Angebot bereitzustellen, führt das dazu, dass das Unternehmen auch in Zukunft gut genutzt wird, und damit profitabel bleibt.
Bei der Genossenschaft entscheiden die Mitglieder darüber, was mit einem Jahresüberschuss geschieht (§ 48 Abs. 1 Genossenschaftsgesetz). Ein Teil muss in der Genossenschaft verbleiben (nach § 7 Nr. 2 Genossenschaftsgesetz in der Form der gesetzlichen Rücklage). In der Satzung kann darüber hinaus festgelegt werden, dass der Jahresüberschuss gar nicht oder nur zu einem bestimmten Teil als Dividende an die Mitglieder ausgeschüttet werden kann (§ 20 Genossenschaftsgesetz). Die Voraussetzung, wonach Gewinne „größtenteils wieder investiert werden“ müssen, kann bei einer Genossenschaft insofern ohne weiteres in der Satzung verankert werden.
Mitgliedernutzen
Neben dem wirtschaftlichen Erfolg ist aber auch der Mitgliedernutzen wichtig. Die Genossenschaft hat den (vorrangigen) Zweck, die Mitglieder zu fördern. Die Förderung erfolgt dadurch, dass die Mitglieder den Betrieb nutzen können. Dies machen die Mitglieder nicht aus Selbstzweck, sondern weil sie sich dadurch etwas versprechen. Es geht um einen Erfolg beim Mitglied selbst, also den Fördererfolg, der aus der Mitgliederförderung resultiert.
Was den Fördererfolg bei den Mitgliedern ausmacht, kann durchaus unterschiedlich sein. Es können finanzielle Aspekte im Vordergrund stehen, also dass für eine Ware / Leistung ein besonders günstiger Preis gezahlt werden muss. Es kann aber auch die Verknüpfung von ideellen und wirtschaftlichen Zielen sein, weil es eben darum geht, eine besonders hochwertige Ware / Dienstleistung zu bekommen, oder solche, die bestimmte (gemeinwohlorientierte) Eigenschaften aufweisen.
Ohne einen Mitgliedererfolg ist es schwer die Mitglieder zu halten oder neue Mitglieder zu werben. Gibt es keine Mitglieder mehr, kann die Genossenschaft nicht weiter existieren. Es ist insofern notwendig, dass die Genossenschaft die Mitgliederförderung so gestaltet, dass es bei den Mitgliedern zu einem Fördererfolg kommt.
Gemeinwohlziele
Auch die Erfüllung der Gemeinwohlziele ist wichtig für die Genossenschaft. Die Mitglieder und/oder die Kund/innen erwarten, dass sich die Genossenschaft bei ihrer Geschäftstätigkeit tatsächlich an den in der Satzung verankerten ideellen Zielen orientiert. Ein Verstoß gegen diese Ziele kann die Glaubwürdigkeit der Genossenschaft in Frage stellen, das würde die weitere Nutzung der Genossenschaft beeinträchtigen.
Gute Nutzung der Genossenschaft
Eine gute Nutzung der Genossenschaft ist Voraussetzung dafür, dass die Genossenschaft auch in Zukunft erfolgreich sein kann. Wenn die Einrichtungen der Genossenschaft nicht oder nur in einem geringem Umfang genutzt werden, dann wird die Genossenschaft mittel- oder langfristig vom Markt verschwinden. Der Mitgliedernutzen und die regelmäßige Pflege der Einrichtungen der Genossenschaft (insbesondere durch Modernisierungen und Reinvestitionen) sind dafür die Schlüssel. Insofern schließt sich hier der Kreis, da ein Erfolg der Genossenschaft dazu führt, dass die Genossenschaft auch in Zukunft gebraucht und genutzt wird. Dies ist die Grundlage für einen weiteren / zukünftigen Erfolg.
Partizipation und Mitbestimmung
Eine weitere Voraussetzung für die Anerkennung als „Gemeinwohlorientiertes Unternehmen“ ist, dass die Organisationsstruktur oder Eigentumsverhältnisse das gemeinwohlorientierte Ziel widerspiegeln, da sie auf Prinzipien der Mitbestimmung oder Mitarbeiterbeteiligung basieren oder auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet sind.
Diese Voraussetzung ist für Genossenschaften ohne weiteres zu erfüllen, da die Partizipation der Nutzer der Genossenschaften in der DNA der Genossenschaft fest verankert ist.
Die Genossenschaft ist offen für neue Mitglieder, sie ist eine Gesellschaft „von nicht geschlossener Mitgliederzahl“ (§ 1 Abs. 1 Genossenschaftsgesetz). Die Genossenschaft ist demokratisch aufgebaut, die „Mitglieder üben ihre Rechte in den Angelegenheiten der Genossenschaft in der Generalversammlung aus“ (§ 43 Genossenschaftsgesetz).
Die Nutzer/innen der Genossenschaft sind daher gleichzeitig die Mitglieder (Gesellschafter/innen). Zwei Gruppen, die bei anderen Unternehmen unterschiedlich sind, sind hier identisch (Identitätsprinzip).
Fazit
Genossenschaften eignen sich aufgrund ihrer offenen Mitgliedschaft und der Verknüpfung eines mitgliedernützlichen Geschäftsbetriebes mit ideellen Zielen gut für ein „Gemeinwohlorientiertes Unternehmen“.
Genossenschaften sind nicht per se „Gemeinwohlorientierte Unternehmen“. Das betrifft aber nicht nur Genossenschaften, sondern jede andere Rechtsform auch. Es kommt insofern nicht auf die Hülle an, sondern darauf, was daraus gemacht wird.
Gemeinwohlorientierte Genossenschaften sind keine Sozialromantik, sie müssen genau wie andere Unternehmen auch erfolgreich arbeiten. Der Erfolg, insbesondere der wirtschaftliche Erfolg, ist dabei nicht das eigentliche Ziel, sondern Mittel zum Zweck, der Schlüssel für zukünftigen Erfolg.