Am 11. Mai 2017 überreichte Staatsministerin Maria Böhmer in Berlin die UNESCO-Urkunde zur Auszeichnung der „Idee und Praxis der Organisation von gemeinsamen Interessen in Genossenschaften“ als Immaterielles Kulturerbe an die Deutsche Hermann-Schulze-Delitzsch-Gesellschaft e.V. und die Deutsche Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft e.V.
Auf der Internetseite der Deutschen UNESCO-Kommission heißt es über die Genossenschaften:
Die Kulturform der Genossenschaften ist allerdings selbstverständlich nicht ausschließlich in Deutschland entstanden. Vorläufer der modernen Genossenschaft gab es unter anderem in Großbritannien, Frankreich und im Osten Europas. Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen haben Mitte des 19. Jahrhunderts hierzulande entscheidende Grundlagen gelegt, die weltweit bis in die Gegenwart wirken. Die Kultur der Organisation von Interessen durch genossenschaftliche Praxis ist heute nahezu weltweit zu finden.
Genossenschaften als reine wirtschaftliche Unternehmensformen zu betrachten, greift dabei zu kurz: Zwar haben sie in der Regel wirtschaftliche Ziele, doch ist diese spezielle Organisationsform, Menschen mit gemeinsamen Interessen ohne Gewinnerzielungsabsicht zur Erreichung gemeinsamer Ziele zusammenzubringen, von nicht zu unterschätzender kultureller Bedeutung. Dies wurde in der Begründung des unabhängigen Expertenkomitees Immaterielles Kulturerbe für dessen Auswahlempfehlung für die UNESCO-Nominierung hervorgehoben (Auszüge): Genossenschaften orientieren sich an sozialen Werten und bauen auf ideellen Grundsätzen wie Solidarität, Ehrlichkeit, Verantwortung und Demokratie – das heißt auf Prinzipien des kulturellen Selbstverständnisses menschlicher Gemeinschaften – auf. Dieser Aspekt sowie das durch diese Kulturform zum Ausdruck kommende bürgerschaftliche Engagement im sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich jenseits von privaten und staatlichen Wirtschaftsformen sprechen, der Begründung zufolge, für die Genossenschaftsidee als Vorschlag für die UNESCO-Liste.
Als ein bis heute dynamisch, einflussreich und aktiv wirkendes immaterielles Strukturelement vertritt die Genossenschaftsidee die spezifische Charakteristik deutscher Gesellschaftskultur. Genossenschaften ermöglichen darüber hinaus weniger privilegierten Bevölkerungsschichten gesellschaftliche Teilhabe. Die Genossenschaftsform ist ein allen Interessenten offen stehendes, überkonfessionelles Modell der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung und prägt damit die deutsche Kultur bis in die Gegenwart hinein. Zugleich ist der Vorschlag durch die nahezu weltweite Verbreitung der Genossenschaftsidee international gut anschlussfähig; deren Bedeutung ist auch durch die Ausrufung eines UN-Jahrs (2012) zum Thema anerkannt.
Der ZdK begrüßt, dass die Besonderheiten der Genossenschaftsidee durch die Aufnahme in das Verzeichnis der „Repräsentativen-Liste“ der UNESCO in höchstem Maße gewürdigt wird.